Antisense Therapie – gezielte Synthesehemmung krankheitsfördernder Proteine
Molekulare Mechanismen für neue Therapien entdecken und weiterentwickeln
Was ist die Antisense Therapie?
Die Antisense Therapie ermöglicht die Charakterisierung von molekularen Mechanismen, die als ursächlich für Krankheiten gelten. Je mehr Kenntnisse über die molekularen Grundlagen von Erkrankungen genutzt werden können, umso besser kann die Entwicklung von neuen Therapieformen auf genetischer Ebene erfolgen.
Erstmalig wurde das Wirkungsprinzip der Antisense-Oligonukleotiden 1978 aufgezeigt. Trotzdem ist es bis heute nicht gänzlich gelungen, die methodischen Hürden bezüglich einer therapeutischen Anwendung zu überwinden.
Ein Lichtblick liegt aber in der Tatsache, dass in ersten klinischen Studien mit Antisense-Oligonukleotiden therapeutische Effekte erzielt werden konnten. Und das bei guter Verträglichkeit.
Damit rückt die Synthesehemmung immer weiter in den Fokus einer zukunftsweisenden medizinischen Entwicklung.
Noch sind diese Studienergebnisse mit einer gewissen Rückhaltung zu dokumentieren. Andererseits ist jetzt bereits zu erkennen, dass Antisense-Oligonukleotide langfristig betrachtet die Pharmakotherapie um ein vom Grundsatz her völlig neues Wirkungsprinzip erweitern und bereichern werden.
Wann und wie wird sie angewendet?
Durch den Einsatz spezieller RNA-Moleküle kann mit der Antisense-Technik die Expression von einem Gen abgeschwächt oder sogar ganz verhindert werden.
Zu den Anwendungsbereichen zählen neben der Medizin die Molekularbiologie und die grüne Gentechnik.
In der Medizin war das Virustatikum namens Fomivirsen das erste zugelassene Medikament, das auf der Antisense-Methode beruhte. Für Virus-, Herzgefäß- und Krebserkrankungen sind weitere Antisense-Medikamente in der Entwicklung.
In der Molekularbiologie geht es zum Einen um die in-situ-Hybridisierung zum Nachweis spezieller RNA- und DNA-Abschnitte im Gewebe. Zum Anderen geht es um die Untersuchung von speziellen Genfunktionen.
In der grünen Gentechnik war zum Beispiel die „Antimatsch-Tomate“ in der Entwicklung, indem versucht wurde, die Expression des Enzyms Polygalacturonase zu vermindern oder bestenfalls zu verhindern. Am Markt konnte sich die Tomate aber nicht durchsetzen. Die Amylose-Synthese wird bei der Kartoffelsorte Amflora verändert. Und zwar in der Art, dass die Kartoffelstärke gänzlich aus Amylopektin besteht, das für die Herstellung von Klebstoff, Textilien und Papier wichtig ist. Für den Verzehr ist diese Kartoffel ungeeignet.
Welche Wirkung erzielt sie?
Im Unterschied zur Gentherapie, bei der zusätzliche genetische Informationen in eine Zelle eingefügt werden, haben die Antisense-Oligonukleotiden in ihrer Anwendung eine spezifische Hemmung der Bildung von Zielproteinen zum Ziel.
Viele Arzneimittel beruhen mit ihrem Wirkmechanismus auf der Hemmung von Proteinfunktionen. Die Antisense-Technik hingegen greift an der Bildung genau dieser Proteine an. Das Antisense-Oligonukleotid als synthetische, kurzkettige Nukleinsäure hat eine frei wählbare Abfolge von bestimmten Basen und bindet über eine sogenannte komplementäre Basenpaarung direkt an eine Nukleinsäure mit exakt passender Basenabfolge. Es entsteht ein Nukleinsäure-Doppelstrang, in dem sich nicht nur Adenin und Thymidin, sondern auch Cytidin und Guanidin als Basen gegenüberstehen.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie wird die Bildung des Zielproteins verhindert?
Die Bildung eines neuen Zielproteins wird verhindert, weil es zu einer spezifischen Bindung eines Antisense-Oligonukleotids an die komplementäre Sequenz der RNA des Zielproteins kommt.
Die synthetische Herstellung und Modifizierung von Antisense-Oligonukleotiden garantiert eine ausreichende Stabilität gegenüber den abbauenden Enzymen. Die Phosphorothioat-Modifikation, bei der im Phosphat ein Sauerstoffatom durch ein Schwefelatom ersetzt wird, gilt als die wichtigste Modifikation in diesem Zusammenhang. Spontan werden die Antisense-Oligonukleotiden in kleiner Menge von den Zellen aufgenommen. Eine Verbesserung der Transfektion (Aufnahme) kann durch die Verwendung von bestimmten Träger-Lipiden erreicht werden. Auch eine bessere intrazelluläre Verteilung für die Wirksamkeit der Oligonukleotide kann so erreicht werden.
In Zellkulturen sowie in vivo konnte in Tierversuchen die Wirksamkeit der Antisense-Oligonukleotide belegt werden. Darüber hinaus konnten nicht Antisense-Wirkungen der Oligonukleotide abseits der Wirkung von Antisense-Oligonukleotiden erfolgreich nachgewiesen werden. Dazu gehören die antivirale, die antiadhäsive und die immunstimulierende Wirkung. Auch die Hemmung der Gefäßneubildung gehört zu den nachgewiesenen Wirkungen.
Letztendlich setzt sich die Wirkung eines Oligonukleotids in seiner Gesamtheit aus den antisense- und den nicht antisensevermittelten Effekten zusammen.
Die Vermeidung von Basenabfolgen und Modifikationen und damit deren unerwünschte Wirkung von Oligonukleotiden wird durch die Charakterisierung von nicht antiensevermittelten Effekten möglich. Andererseits ist genau diese Wirkung aber bei der Adhäsionshemmung, der Immunstimulation und der Hemmung einer Gefäßneubildung (in Verbindung mit dem Antisense-Effekt gegen ein Tumorprotein) erwünscht, weil eine synergistische Wirkung bei der Suppression des Tumorwachstums bewirkt wird.
Die „nicht antisensevermittelte Immunstimulation durch Oligonukleotide“ ist therapeutisch von besonderem Interesse.
Dabei genießen zwei Wege besonderes Interesse:
Die antiensevermittelte gezielte Hemmung der Bildung von Zielproteinen“ sowie „die Nutzung des immunstimulierenden CpG-vermittelten Effektes bestimmter Oligonukleotid-Sequenzen“.
Proteine, die wesentlich zur Pathogenese beitragen, sind bei onkologischen, inflammatorischen sowie viralen Erkrankungen bekannt.
Bezogen auf die nicht antisensevermittelten Effekte sind aus therapeutischer Sicht besonders die immunstimulierenden Eigenschaften von definierten Nukleinsäure-Sequenzen von Interesse. Zum Beispiel als Adjuvans bei Impfungen und im Zusammenhang mit einer Tumor-Immuntherapie. Die klinische Anwendung ist absehbar. Vor allem in den USA, in der Schweiz und in Kanada wird in biotechnologischen Unternehmen an neuen Oligonukleotiden in Form von neuen Therapeutika gearbeitet.
In klinischen Studien konnten bereits die systemischen Applikationen von Antisense-Oligonukleotiden, verabreicht in therapeutischer Dosierung, gut vertragen werden.
Damit dürfte die Synthesehemmung zukunftsweisend sein.
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